Soziale Angst 6: Therapie

Wenn Sie unter sozialer Angst leiden dann können Sie lernen gelassener im Beisein anderer zu sein. Was Sie in einer Therapie erwartet das erfahren Sie hier.

Dieses Video informiert über die psychologische Behandlung der sozialen Phobie (Schüchternheit) bei einem psychologischen Psychotherapeuten.

Haben Sie schon einmal überlegt, wegen Ihrer Angst eine Therapie zu machen, sind sich aber unsicher, ob das das Richtige für Sie ist? Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie können nur Sie treffen. Als Therapeut kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie eine Therapie ins Auge fassen sollten, wenn

  • Ihr Leidensdruck groß ist,
  • Sie privat oder beruflich durch die Angst stark eingeschränkt sind und Nachteile haben,
  • Sie depressiv sind und Ihre Stimmung ständig im Keller ist,
  • Sie nur mit Alkohol oder Medikamenten unter Menschen gehen und wenn
  • Sie sich dauerhaft von anderen Menschen zurückziehen und sich isolieren.

 

Sollte man Medikamente bei einer sozialen Phobie nehmen?

Generell sind Medikamente nur eine Krücke und sollten deshalb, wie eine Krücke bei einem Beinbruch, auch nur vorübergehend und in Notfällen - etwa vor wichtigen beruflichen Treffen - genommen werden.  Medikamente können keine soziale Phobie heilen. Sie erleichtern nur den Umgang mit ihr.

Für die kurzfristige Bewältigung einer Situation können Benzodiazepine eingesetzt werden. Da Benzodiazepine jedoch ein hohes Suchtpotenzial haben, sollten Sie diese unter keinen Umständen regelmäßig und über Wochen hinweg einnehmen!

Betablocker, die auch häufig verordnet werden, greifen bei der Sozialphobie nicht. Für einen längeren Einsatz haben sich Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (z.B: Paroxetin, Sertralin oder Citalopram) sowie Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wie Venlafaxin als wirkungsvoll erwiesen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass es nach Absetzen der Medikamente zu einem Rückfall kommt.

Bitte wenden Sie sich an einen Psychiater, wenn Sie eine medikamentöse Behandlung möchten. Sie sollten dann aber auf alle Fälle zweigeleisig fahren und die Möglichkeiten nutzen, die Ihnen eine Psychotherapie bieten kann. Sie können lernen, mit Ihrer Angst vor anderen Menschen umzugehen.

Im nächsten Video erfahren Sie, was Sie erwartet, wenn Sie eine Therapie bei einem verhaltenstherapeutisch arbeitenden Psychologen machen.

Strategien bei der Behandlung der sozialen Phobie

Dieses Video informiert über die Therapiebausteine, die bei der Behandlung einer sozialen Phobie eingesetzt werden.

In diesem Beitrag möchte ich Ihnen zeigen, auf welche Weise Psychologen, die mit den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie arbeiten, eine soziale Phobie behandeln. Die kognitive Verhaltenstherapie hat bei der sozialen Phobie sehr gute Erfolge, weshalb ich Ihnen zu einem Therapeuten rate, der mit dieser Methode arbeitet.

Generelle Ziele der Therapie sind, 

  • die Meidung sozialer Situationen aufzugeben, 
  • gelassener im Mittelpunkt stehen zu können,
  • sich und die Reaktion der anderen realistisch einzuschätzen,
  • unangenehme Situationen/Reaktionen nicht mehr als Katastrophe anzusehen bzw. diese aushalten zu können und
  • soziale Fertigkeiten zu erwerben.

Diese Ziele werden durch verschiedene Therapiebausteine erreicht, die wir uns nun anschauen.

Gedankenkontrolle

Sie lernen den Zusammenhang zwischen Ihren Gedanken und Gefühlen kennen, insbesondere wie sich angstvolle Gedanken und Phantasien auf Ihre Angst auswirken. Sie lernen außerdem, Ihre Katastrophengedanken zu kontrollieren und durch eine eher gelassene Haltung zu ersetzen. D.h. Sie lernen, wie Sie den Teufelskreis von Angstgedanken, Angstgefühlen und körperlichen Reaktionen durchbrechen können.

Konfrontationstraining

Die Meidung der Situationen, in denen Sie Angst empfinden, nährt Ihre Angst und macht sie stärker. Ziel der Konfrontationstherapie ist es, Ihrer Angst die Nahrungsgrundlage zu entziehen, indem Sie Ihr Vermeidungsverhalten aufgeben und sich Ihrer Angst stellen. Dadurch erleben Sie, dass Ihre angstvollen Erwartungen unbegründet bzw. unangemessen sind. Vom Verstand her wissen Sie vielleicht, dass Ihre Phantasie oft mit Ihnen durchgeht und Ihre Ängste vor anderen irrational sind.

Solange Sie das aber nicht am eigenen Leib erleben und spüren, bleiben Zweifel.

Erst durch die Erfahrung, dass Ihre Phantasie wenig mit der Realität zu tun hat und Sie das ertragen können, was Sie in der Phantasie für unerträglich hielten, bekommen Sie auch die Gewissheit, dass dem so ist. Kopf und Bauch gehen dann einher. Das kostet am Anfang viel Überwindung und Mut, ist aber ein ganz wichtiger Schritt bei der Überwindung jeder Angst. 

Peter erzählt:

Eigentlich ist es ja bei den meisten Dingen so, dass sie anfangs Angst machen. Wenn man sich ihnen aber öfters aussetzt, verlieren sie ihr schreckliches Gesicht und man wird abgehärteter und selbstsicherer.  Was ich damit sagen will: das, was unangenehm ist, so oft machen, bis es völlig selbstverständlich ist, egal wie es einem anfangs dabei geht.

Man muss sich Übungen setzen und gezielt auf Leute zugehen und mit ihnen reden, reden, reden ... Egal wie, egal in welchen Situationen, egal in welcher Weise. Hauptsache rausgehen, auf andere zugehen und reden. Nur dadurch wird es irgendwann besser.

Ich habe jeden Tag Übungen gemacht. Am Anfang leichte, dann immer schwierigere: Andere nach dem Weg oder nach der Uhrzeit fragen. In Geschäfte gehen und mir etwas zeigen lassen. In ein Stehkaffee gehen, einen Kaffee trinken, die Leute beobachten und mit ihnen ein Gespräch anfangen.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vieles halb so schlimm ist, wenn man es wirklich erlebt. Ich bin oft überrascht, wie gut ich mit manchen unangenehmen Situationen fertig werde. Die Angst, die ich vorher habe, ist nie angemessen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist Kritik oder dass man was nicht bekommt. Ist beides nicht angenehm, aber auszuhalten.

Peter lernte also seine soziale Angst zu mindern, indem er genau das tat, wovor er Angst hatte. Und er machte die Erfahrung, dass seine Erwartungsängste unberechtigt und unangemessen waren. Je öfter er diese Erfahrung machte, umso mehr verschwand seine Angst und umso selbstsicherer wurde er.

Vorstellungsübungen - mentales Training

Sie lernen durch positive Vorstellungsübungen(mentales Training), wie Sie sich im Kontakt mit anderen verhalten können, wie Sie sich Mut zusprechen und wie Sie mit der Angst und den körperlichen Reaktionen umgehen können. Dieses Trockentraining dient meist als Vorbereitung für das bereits erwähnte Konfrontationstraining.

Entspannungstraining

Sie erlernen ein Entspannungsverfahren wie etwa die Progressive Muskelentspannung. Mit dieser einfachen Entspannungsmethode gelingt es Ihnen, Ihre körperliche Erregung und Ihre Angst zu mindern. Sie können so gelassener auf andere zugehen und sich bewegen.

Stärkung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens

Geht es Ihnen auch so: Sie denken, Sie seien dumm, bekommen aber von anderen bestätigt, dass Sie intelligent sind? Sie denken, Sie seien hässlich, obwohl Ihnen die anderen sagen, Sie sehen gut aus?Sie denken, Sie sind ungeschickt und stellen sich blöd an, während die anderen nur den Kopf schütteln und nicht wissen, wie Sie darauf kommen? Sie werden gelobt oder jemand sagt Ihnen, dass er Sie sympathisch findet, und Sie spielen sein Lob herunter?

Dann ist Ihr Selbstwertgefühl angeschlagen. Ihre Angst vor Ablehnung und Angst vor Kritik rührt daher, dass Sie gering von sich denken, an sich zweifeln, sich minderwertig fühlen oder sich hassen. Denn: wenn wir selbst geringschätzig von uns denken, dann unterstellen wir anderen, dass diese auch schlecht von uns denken.

Peter beschreibt das so:

Ein großer Teil meiner Unsicherheit kam daher, dass ich mich abgrundtief hasste. Ich verglich mich immer mit anderen und schnitt natürlich immer schlechter ab. Wenn man sich immer nur kritisiert, an sich zweifelt und sich selbst hasst, dann kann man niemanden an sich heranlassen und man geht nicht auf andere zu.

Deshalb ist es wichtig, dass Sie lernen, Ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Je mehr Sie sich annehmen, umso weniger Angst haben Sie vor anderen und deren möglicher Kritik oder Ablehnung.

Sozialen Fertigkeiten stärken

Sie lernen, - am besten in einer Gruppe - wie man Kontakt aufnimmt, ein Gespräch beginnt, am Leben erhält und Small Talk macht. Sie lernen vielleicht auf Ihre Körpersprache zu achten, selbstsicher aufzutreten, mit Kritik und Lob umzugehen und vieles mehr, das Ihnen die Kontaktaufnahme mit anderen erleichtert.

Der Aufbau sozialer Fertigkeiten wird meist zunächst in Form von Rollenspielen und dann im realen Leben geübt. Soziale Fähigkeiten kann und muss man üben. Die fallen einem nicht in den Schoß. Genauso wie man das Fahrradfahren oder Schwimmen lernen muss, muss man auch lernen, auf andere zuzugehen, Kontakte zu knüpfen, anderen in die Augen zu schauen, Gespräche zu führen, zu flirten, usw.

Sehr hilfreich bei der Überwindung einer sozialen Phobie ist eine Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie.

In der Einzeltherapie werden persönliche und nur Sie selbst betreffende Probleme besprochen, während Sie in der Gruppentherapie Ihre sozialen Fertigkeiten üben. Sie sehen: in einer Therapie eignen Sie sich ein ganzes Bündel verschiedenster Strategien an, die Ihnen helfen, Ihre soziale Angst abzulegen.

Eine soziale Phobie ist heilbar. Wenn die Angst im Beisein anderer zu einem häufigen oder gar ständigen Begleiter in Ihrem Leben geworden ist, Sie sich immer mehr zurückziehen und/oder sich nur noch mit Medikamenten oder Alkohol unter Menschen trauen, dann wenden Sie sich bitte an einen Psychotherapeuten.

Austausch mit sozialängstlichen Menschen in einem Forum

Ein Internetforum ist kein Ersatz für reale Begegnungen. Aber ein Forum kann Betroffene ermutigen, mehr realen Außenkontakt zu suchen. Ja selbst Freundschaften werden in Sozialphobie Foren aufgebaut und Beziehungspartner gefunden. Machen Sie also Gebrauch davon.

 

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