Warum ist Angst eine sinnvolle Reaktion?

Warum ist Angst eine sinnvolle Reaktion? Wie äußert sich Angst? Warum reagieren manche Menschen eher mit Angst als andere? Antwort auf diese Fragen finden Sie hier.

Warum ist Angst eine sinnvolle Reaktion?

Die Fähigkeit, Angst zu empfinden, ist angeboren. Das ist gut so. Angst ist nämlich eine lebenswichtige Alarmreaktion unseres Körpers. Sie hat die Aufgabe, uns darauf aufmerksam zu machen, wenn wir in (Lebens)Gefahr sind und dass wir etwas tun müssen, um die Gefahr abzuwenden und am Leben zu bleiben. Für unsere Vorfahren war die Angst lebenserhaltend und lebensnotwendig. Sie waren oft lebensgefährlichen Situationen ausgesetzt, etwa wilden Tieren oder feindseligen Mitgliedern anderer Stämme.

Die Angst, verletzt oder getötet zu werden, versetzte unsere Vorfahren körperlich in die Lage, mit der Bedrohung umzugehen. Angst aktiviert nämlich Körperfunktionen wie etwa Anspannung und stärkere Durchblutung der Muskeln und Ausschüttung von Adrenalin. Diese sind Voraussetzung, dass wir mit einer Bedrohung umgehen können.

Bei Bedrohung stehen uns drei Überlebensstrategien zu Verfügung:

  1. Flucht - nichts wie weg hier: Man entzog sich der Bedrohung, indem man aus der gefährlichen Situation flüchtete.
  2. Kampf - den Feind in die Flucht schlagen: Man stellte sich der Bedrohung und verteidigte sein Leben.
  3. Ducken - still halten: Wenn man weder flüchten noch kämpfen konnte, dann tat man so, als sei man tot oder kampfunfähig. Der Totstellreflex als Schutzreaktion ist bei vielen Tieren zu beobachten. 

Die Gefahr, von wilden Tieren angegriffen zu werden, ist heute gering. Und wenn wir nicht gerade in einer Wohngegend mit hoher Kriminalität oder mit ständig wiederkehrenden Naturkatastrophen leben, dann ist unser Leben nur selten real bedroht. Dennoch verspüren wir heute häufiger Angst als unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren. Die Bedrohungen, auf die wir heute mit Angst reagieren, sind jedoch eher psychischer Natur.

Jemand macht z.B. eine abfällige Bemerkung über uns oder greift uns verbal an und wir reagieren mit Angst. Ja, alleine die Vorstellung, dass uns jemand ablehnen oder kränken könnte, löst in uns Angst aus. Unser Körper reagiert auf die tatsächliche oder eingebildete Ablehnung genauso wie bei unseren Vorfahren, die tatsächlich in Lebensgefahr waren, etwa mit Herzklopfen, erhöhtem Blutdruck und schnellerem Puls.

Und wir reagieren auf die psychische Bedrohung wie unsere Vorfahren: Wir flüchten aus den vermeintlich gefährlichen Situationen oder meiden diese. So verlassen Menschen mit einer Agoraphobie fluchtartig das Kaufhaus, wenn sie spüren, dass die Angst in ihnen hochkommt, oder sie meiden generell große Menschenansammlungen.

Da es heute verpönt und verboten ist, sich tätlich zu wehren und zu kämpfen, verteidigen wir uns heutzutage verbal. Und wenn wir weder flüchten, noch uns verbal verteidigen können, dann reagiert unser Körper vielleicht mit dem Totstellreflex, einem Schockzustand, in dem man wie gelähmt ist. Man sagt ja auch, jemand sei vor Furcht erstarrt.

Wie äußert sich Angst?

Die Angst soll uns alarmieren und wird begleitet von Veränderungen in drei Bereichen:

Körper

Wir atmen schneller und tiefer, die Muskeln spannen sich an, Puls und Blutdruck erhöhen sich, Appetit und sexuelles Verlangen lassen nach. Wir verspüren den Drang, Darm und Blase zu entleeren, und zeigen noch viele weitere Veränderungen in unserem Körper.

Verhalten

Wir flüchten oder meiden Situationen. Oder wir verfallen in eine Art Totstellreaktion, erstarren für den Augenblick.

Gedanken

Die Gedanken kreisen um die Gefahr. Wir sind hochkonzentriert. Wir beschäftigen uns damit, wie wir die vermeintliche oder reale Gefahr vermeiden können. Von der Natur ist es vorgesehen, dass die Angst nachlässt, sobald die Gefahr vorüber ist. Sobald wir unserem Körper Entwarnung geben, uns quasi sagen „Du bist außer Gefahr“, kehrt der Körper wieder auf sein normales Erregungsniveau zurück. Die Muskeln entspannen sich, die Atmung verlangsamt sich, usw.

Diese automatische Anpassung an die Anforderungen aus der Umwelt funktioniert allerdings nur, solange die Anforderungen nicht allzu groß sind. Problematisch wird es, wenn außergewöhnliche Belastungen eintreten, länger anhalten oder wir uns in Gedanken immer wieder Gefahren ausmalen und uns so in Angst versetzen. Dann kommt unser Körper nicht mehr zur Ruhe und es entsteht ein Missverhältnis zwischen Anspannung und Entspannung.

Warum reagieren manche Menschen eher mit Angst als andere?

Es gibt Menschen, die bei kleinsten Veränderungen schon aus dem körperlichen Gleichgewicht geraten und mit Angst reagieren. Andere wiederum suchen sogar gezielt Herausforderungen und lieben das Prickeln bei Gefahren. Wie kommt es zu diesen Unterschieden? Viele Faktoren beeinflussen die Bereitschaft, mit Angst zu reagieren:

Angeborene Angstbereitschaft

Wissenschaftliche Untersuchungen deuten daraufhin, dass manche Menschen von Geburt an eine erhöhte generelle Bereitschaft haben, mit Angst zu reagieren. Sie benötigen weniger Stress, um körperliche Veränderungen zu erleben. Sie lernen Gegenmaßnahmen für Angst auslösende Situationen langsamer und gewöhnen sich langsamer an neue und veränderte Situationen.

Erlernte Angstreaktionen

1. Erziehung

Ein ängstlich-überbehütender, aggressiv-abwertender oder Perfektion erwartender-kritisierender Erziehungsstil verhindert, dass wir lernen, uns zu vertrauen und Selbstvertrauen zu entwickeln. Wir lernen auch nicht, wie man mit Ängsten umgeht und sie überwindet. Als Erwachsene neigen wir dann dazu, unsere Fähigkeiten, mit Situationen und unseren Gefühlen klarzukommen, zu unterschätzen. Wir sehen in Fehlern eine Bedrohung unserer Person. Auch ängstliche Eltern können uns als Vorbilder dienen, ähnliche Persönlichkeitszüge zu entwickeln.

2. Eigenschaften, Verhaltensweisen, die aus der Norm fallen oder von der Umgebung abweichen

Weisen wir als Kinder oder unsere Eltern Eigenschaften oder Verhaltensweisen auf, die von der Norm abweichen (z.B. Dialekt, Alkoholabhängigkeit, bestimmte Volksgruppe, Religion oder Schicht), dann werden wir möglicherweise von unserer Umwelt abgelehnt und/oder lehnen uns selbst ab. Als Erwachsene leiden wir dann z.B. unter einer starken Angst vor Ablehnung oder einer sozialen Angst.

3. Trauma

Ein einziges Erlebnis, das wir als sehr gefährlich ansehen, kann genügen, dass wir von diesem Tag an ähnlichen Situationen aus dem Weg gehen oder sie nur mit massiven Angstbeschwerden angehen können. (z.B. ein Unfall, Vergewaltigung, Brand)

4. Überlastung, Überforderung, Stress

Wenn wir uns in einer Krise befinden, uns überfordert fühlen, unsere Situation als ausweglos sehen, dann sind wir "verwundbarer und verletzlicher". Wir sind nervös und gereizt. Die Wahrscheinlichkeit, mit einer Panikattacke zu reagieren, steigt.

5. Persönlichkeit

Wir haben folgende Denk- und Verhaltensgewohnheiten:

1. Wir machen uns abhängig von der Meinung anderer, sorgen uns stark darum, wie wir ankommen

2. Wir verlangen von uns Fehlerlosigkeit, überfordern uns dadurch und verachten uns, wenn wir Fehler machen.

3. Wir sehen uns als dumm, unfähig, unattraktiv oder minderwertig an und lehnen uns ab.

4. Wir fordern von uns, stets ruhig und beherrscht aufzutreten, wollen alles unter Kontrolle haben und am liebsten im voraus wissen, was auf uns zukommt.

Sonstige Ursachen

Einige Angstanfälle scheinen ohne vorheriges Lernen aufzutreten. Plötzlich, meist in einer Phase großer Anspannung (z.B. in einer Trennungsphase, bei Überarbeitung, bei großen Eheproblemen, Konflikten am Arbeitsplatz, bei der Pflege oder dem Tod eines Angehörigen), erleben die Betreffenden eine Panikattacke. Sie verknüpfen dann diesen Angstanfall mit bestimmten Merkmalen der Situation, in der er auftrat, und meiden diese Situation. Dadurch bleibt die Angst bestehen.

Körperliche Erkrankungen

Eine Schilddrüsenfehlfunktion, ein Mangel an Vitamin B1, eine Lebererkrankung, Störung im Kalziumhaushalt oder Virusinfektion können Angstzustände auslösen. Ebenso kann ein niedriger Blutzuckerspiegel einen Schwindel- und Schwächeanfall auslösen. Auch Entzugserscheinungen von Alkohol oder Beruhigungsmitteln können Angstreaktionen verursachen.

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