Lerne hoch zu fliegen – mit beiden Beinen fest im Boden verankert – #109

In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky, wie du dir deine Begeisterung auch in stressigen Zeiten bewahren kannst und sie wieder neu entfachst, wenn sie dir abhanden kommt.

Lerne hoch zu fliegen – mit beiden Beinen fest im Boden verankert – #109
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

Begeisterung ist ein prall mit Lebensfreude gefülltes Gefühl. Bist du begeistert, dann bist du inspiriert und zu Höchstleistungen fähig. Begeisterung kann dich dazu bringen, über dich hinauszuwachsen. Bist du begeistert, lodert das innere Feuer in dir. Begeisterung ist der Motor, der dich aus dem Alltagstrott herausreißt und dich dazu bringt, deine Träume zu verfolgen. Wenn du dich begeisterst, fühlst du dich lebendig, motiviert und voller Energie. Das ist das Gute an der Begeisterung.

Manchmal kann es dir oder deiner Umwelt aber auch zu viel werden. Wenn du tagelang kein Schlafbedürfnis mehr hast, nicht mehr stillsitzen kannst, ein toller Gedanke den nächsten jagt und jegliche natürliche Grenze deines Gegenübers von dir einfach überspült wird, dann ist zusätzliche Erdung notwendig.

Lerne hoch zu fliegen – und bleib dabei gut geerdet

Wenn in deiner Begeisterung deine Gedanken anfangen zu rasen, dann verlangsame deine Fahrt. Mach eins nach dem anderen. Lege Pausen ein. Gehe jede Nacht ins Bett – auch wenn es dir so gar nicht danach zumute ist. "Warum das denn?", magst du dich vielleicht fragen.

Erfahrene Yogapraktizierende wissen: Begeisterung entspringt deinem inneren Feuer, dem Kraftzentrum, dem Sonnengeflecht. Begeisterung als machtvoller Selbstausdruck ist demnach dem Feuerelement zugeordnet. Um die Beine dabei fest im Boden verankert zu halten, brauchst du aus der Sicht des Yogas auch das Erdelement: Ruhe, Beständigkeit, Gleichgewicht. Regelmäßig zu essen, zu trinken, zu schlafen helfen dir dabei, hoch zu fliegen und eine solide Bodenhaftung zu bewahren.

Begeisterung ist wunderbar; sie führt psychologisch gesehen zu den besten Ergebnissen, wenn sie mit Stabilität gepaart ist. Wenn du dich für etwas begeisterst und du bereit bist, Zeit und Arbeit dafür zu investieren, wird dir deine Hingabe an ein Thema oder an eine Aktivität dabei helfen, immer weitere Türen der Lebensfreude zu öffnen.

Wie entfache ich meine Begeisterung wieder?

Viele meiner Patient:innen, die unter dem "Grau-in-Grau" des Alltags leiden, haben die Erfahrung gemacht, dass die Flamme der Begeisterung immer dann zu lodern beginnt, wenn sie sich ein Ziel setzen und davon überzeugt sind, es auch erreichen zu können. Die Vorstellung, etwas dir Wichtiges schaffen zu können, erfüllt dich mit Energie und Entschlossenheit. Deshalb überlege, was dich begeistert. Welche Aktivitäten oder Ziele bringen dein Herz zum Leuchten? Identifiziere diese Quellen der Begeisterung und integriere sie bewusst in deinen Alltag. Lea zum Beispiel war von Spielplätzen begeistert. Selbst als sie sich schon mehr für Clubs als für Rutschbahnen interessierte, ging sie auf ihren Wegen an keinem Spielplatz vorbei, ohne sich wenigstens eine Runde auf der Schaukel zu gönnen. Jetzt studiert sie Sozialpädagogik und ihre Abschlussarbeit handelt – wen wundert es – von Spielplätzen. Aus der Lust am Schaukeln, Rutschen, Karussellfahren und ihrer Begeisterung, in Spielplatzsandkästen Sandburgen zu bauen, entsteht gerade ein tolles Projektpapier zu Inklusionsspielplätzen.

Begeisterung muss nicht immer so ausgeprägt sein wie bei Lea. Manchmal reicht es, zarte Impulse zu orten. Eine Collage zu erstellen, ist ein guter Weg dazu. Blättere einfach einige Zeitschriften durch und lasse dich von einzelnen Bildern, Worten oder Symbolen in positive Resonanz bringen. Schneide diese Elemente aus, klebe sie auf einen großen Bogen Packpapier – schon hast du vor Augen, was in dir zarte Begeisterungspflänzchen sein könnten. Schenke ihnen deine Aufmerksamkeit und erzähle deinen Freunden davon.

Je mehr du deine Begeisterung mit anderen teilst, desto höher kannst du fliegen. Wenn du von deinen Leidenschaften sprichst, kannst du vielleicht auch andere inspirieren und ihr könnt gemeinsam fliegen. Und falls du dein Gegenüber nicht mitreißen kannst, nimm‘s gelassen. Es ist dein Thema, deine Begeisterung. Die Bodenhaftung bei deinem oder eurem Höhenflug ist immer sichergestellt, wenn die Begeisterung in der Umsetzung mit dem Gleichgewicht gepaart bleibt, dabei regelmäßig zu essen, zu trinken und zu schlafen.

Begeisterung ist ein Geschenk, das du dir selbst machen kannst. Sie ist der Schlüssel zu Lebensfreude, Leidenschaft und Energie. Lass dich von deiner Begeisterung tragen und genieße gleichzeitig das gute Gefühl der Bodenhaftung. Du wirst staunen, wozu du in dieser Kombination alles fähig bist!

So kannst du dir deine Begeisterung auch in stressigen Zeiten bewahren

Wenn der Alltagsstress deine Begeisterung zu dämpfen droht und all deine Kreativität vom Hamsterrad der Alltagsroutine eingegrenzt wird, nimm dir wieder mehr Zeit für dich selbst.
Zwei Minuten länger am Tisch sitzen bleiben, wenn deine Mahlzeit beendet ist. Eine Minute noch sitzen bleiben, wenn du mit deinem Auto schon am Ziel angekommen bist. Einfach inmitten vom eiligen auf ein Ziel-Zulaufen stehen bleiben. Zehn Sekunden reichen.

Nimm immer wieder die berühmten drei tiefen Atemzüge. Sie helfen dir dabei, in dir, bei dir, mit dir zu SEIN. Sie helfen dir dabei, immer wieder anzukommen, in deinem Innersten, dem Feld aller Möglichkeiten.

Begeisterung ist die Flamme des Lebens in dir, die du selbst wieder und wieder nähren kannst. Auch wenn sie manchmal zu erlöschen droht, kannst du sie immer wieder zum Leuchten bringen. Genieße es, in deiner Begeisterung hoch zu fliegen – mit beiden Beinen fest im Boden verankert.

Dein Gert Kowarowsky

Erfahrungen aus der Praxis …

… ist die psychotherapeutische Kolumne mit Inspirationen für deine Lebensgestaltung und den Umgang mit schwierigen Lebensthemen. Du findest alle Teile der Kolumne und mehr über den Autor Gert Kowarowsky hier.

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